Seit Tagen überschlagen sich die Nachrichten – viele Menschen sorgen sich um ihre Gesundheit und um ihre Existenz. Gleichzeit ist weltweit ein Slow Down angesagt. Wie viele Firmen mussten auch wir unsere Akademie schließen. Wie bewahre ich in dieser Krise einen kühlen Kopf und schütze aktiv mein Herz?

Slow Down – Foto Shutterstock

Medienkonsum aktiv reduzieren

Für mich als Führungskraft ist die aktuelle Krise eine mediale Herausforderung: Ich muss jeden Tag neu entscheiden, wie ich mit der erdrückenden Nachrichtenflut umgehe. Auf der einen Seite brauche ich Updates, um zeitnah agieren zu können. Andererseits erschlägt mich die Fülle.

Meine Frau und ich haben uns entschieden, nur noch einer Nachrichtensendung pro Tag unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Wie bei Wasserstandsmeldungen macht es für uns keinen Sinn, alle paar Minuten den Pegel zu messen. Das tägliche Update reicht.

Slow Down: Auf was schaue ich?

Der zweite Punkt ist uns beiden noch wichtiger: Schaue ich auf den ständig steigenden Wasserpegel oder auf den Horizont? Jeder Schiffsreisende weiß, dass der Blick auf die tosenden Wellen eine Seekrankheit verstärkt. Dagegen beruhigt der Blick auf den Horizont den Magen und auch die Nerven.

Statt stündlich die Hiobsbotschaften der Medien zu verfolgen, gehe ich aktiv aus dem Haus und versuche mich auf den Frühling und die Sonne auszurichten. Mein langjähriger Freund Lothar Krauss, der seit 14 Tagen in Quarantäne zuhause eingesperrt ist, nutzt mit Zustimmung des Gesundheitsamtes einsame Waldwege. Das hilft ihm dem Zimmerkoller zu entkommen.

Auch der Gang in die Gutshof Kapelle hilft uns, innerlich ruhig zu werden. Beim täglichen Morgen- und auch Abendgebet lassen wir unsere Sorgen und Existenzängste los und schöpfen einen tiefen inneren Frieden. Gleichzeitig beten wir aktiv für unsere Freunde, Kunden und die Menschen in der Region um Schutz und Kraft in dieser schwierigen Zeit.

Es geht darum, zu überleben

Seit zwei Wochen lese ich das Buch des schwedischen Bestsellerautors Tomas Sjödin: “Es gibt so viel, was man nicht muss”. Es enthält 77 Impulse für ein einfaches Leben und ermutigt mich jeden Morgen, mit einem neuen Fokus in den Tag zu gehen.

Heute morgen lese ich das Kapitel “Traumhaus und Trauerhaus”. Sjödin beschreibt den Dialog einer Mutter, die sich für das Computerspiel ihrer Tochter interessiert. Ohne aufzuschauen, erklärt sie ihrer Mutter: “Es geht nicht darum, etwas aufzubauen. Es geht darum, zu überleben!”

Dieser Satz beschäftigt mich den ganzen Tag: Gilt dies nicht jetzt auch für uns als Selbständige und Unternehmer? Zugegeben: Als Pionier bin ich immer noch im Aufbau-Modus. Mein Kopf ist voll von Ideen – das hat sich auch durch die Krise nicht geändert.

Sjödin beschreibt wie viele Menschen über Jahre an ihrem Traumhaus bauen und wenn es fertig ist, ständig am Erweitern sind: Hier noch ein Schuppen, dort noch eine Terrasse. Doch die innere Zufriedenheit stagniert.

Von der Einfachheit des Lebens

Ich überlege mir, ob die aktuelle Krise nicht auch hilfreich ist, um die “Einfachheit des Lebens” neu zu begreifen. Muss ich mein Lebenshaus wirklich ständig ausbauen, um glücklich zu sein? Die amtlichen Restriktionen werden uns in den nächsten Tagen zeigen, wie ein Leben mit kleinem Radius gelingt.

Notgedrungen werden wir erkennen, dass es auch ohne Fernreisen und Städtetripps geht. Jedes “immer höher, immer schneller, immer weiter” wird nun von außen dramatisch eingegrenzt. Doch Hand aufs Herz: Brauchen wir das wirklich?

Vielleicht gelingt es uns in der Krise “das Schaffen-Müssen sein zu lassen”, wie Thomas Sjödin so treffend beschreibt: “Wenn man erkennt, das man es alleine nicht schafft, öffnet man sein Leben für die helfenden Kräfte, die verfügbar sind.”

Neue Form der Solidarität

Zurück zum Anfang meines Beitrages: Schaue ich auf das Wasser und auf meine Angst zu ertrinken? Oder auf den Horizont? Gerade für Selbständige ist das die große Herausforderung. Hier ist nach meiner Beobachtung eine neue Form der Solidarität gefragt.

Beispiel Kultur: Momentan werden alle Konzerte und Veranstaltungen abgesagt. Für alle Beteiligten bedeutet das große finanzielle Einbußen, es sei denn: Die Kunden bewahren einen kühlen Kopf und vertrauen den Veranstaltern, die zusichern, dass die Karten für einen späteren Termin gültig bleiben.

Auch als Gutshof Akademie ist unser Betrieb seit dem gestrigen Tag geschlossen. Es fiel meiner Frau und mir sehr schwer, alle unsere Mitarbeiter nach Hause zu schicken. Keiner weiß momentan, wann wir wieder öffnen können. Wir hoffen, dass viele Kunden einen kühlen Kopf bewahren und ihr Seminar nicht stornieren.

Gleichzeitig stehen wir noch unter Schock. Unsere Seele braucht Zeit, um dies zu verarbeiten. Zudem benötigen wir den Dialog mit Kollegen, Nachbarn und Freunden, um uns zu überlegen, wie es für jeden einzelnen, aber auch für uns als Team, als Gesellschaft weitergeht.

In den kommenden Wochen wird es von jedem Einzelnen und seinem Handeln abhängen, wie sich die Krise entwickelt und wie schnell wir uns davon auch wirtschaftlich erholen. Mit jedem Kauf, aber auch mit jeder Kündigung entscheiden wir, ob der Egoismus oder die Stärkung unserer bürgerlichen Gemeinschaft gewinnt.