Am Wochenende zeigt die Tagesschau um 20 Uhr ein verstörendes Plakat: “Jesus rettet Leben – Bill Gates zerstört Leben” Sprachlos sitze ich vor der Glotze: “Wie bitte? Was soll das?” Parallel dazu verbreiten die sozialen Netzwerke immer wieder neue Verschwörungstheorien. Haben wir momentan nichts Wichtigeres zu tun?

Verschwörungstheorien

Die Lust auf Spekulatius und Spekulationen

Vor einigen Jahren hatte Eva Herman noch einen guten Ruf als Sprecherin der ARD Tagesschau. Heute verkrümelt sie statt klarer Nachrichten lieber Spekulatius, wie sie selbst sagt. In ihrem YouTube-Kanal verbreitet sie Spekulationen und Halbwahrheiten, die Millionenfach geteilt und geliked werden.

Statt makelloser Reputation ist sie heute leider in schlechter Gesellschaft von etlichen Influencern, die in guten Zeiten mit Beauty und Fitnesstipps ihre Zielgruppe unterhalten haben. Doch heute verbreiten sie eine Verschwörungstheorie nach der anderen.

Mir scheint, dass sich die Trauer und Ohnmacht, die ich in den letzten Wochen beobachtet habe nun in Hass und Boshaftigkeit verwandeln. Was mich sehr ärgert: Warum teilen auch seriöse Unternehmer, Selbständige und Führungskräfte diese Halbwahrheiten, ohne sie selbst kritisch geprüft zu haben?

Verschwörungstheorien: Verleumdung und Rufmord

Ich frage mich: Was veranlasst eine religiöse Demonstrantin, sich für Jesus als Retter einzusetzen und gleichzeitig Gates als Hassobjekt zu denunzieren? Ich bekomme das mit den Geboten Jesu, auf die sich diese Dame beruft, nicht unter einen Hut.

Heute morgen habe ich mir das Interview, das die ARD Tagesthemen mit Bill Gates geführt haben, nochmals in Ruhe angeschaut. Angeblich würde er eine weltweite Impfpflicht fordern, so die sozialen Verschwörungstheorien. Doch im Gespräch kann ich dazu keinen Beleg finden.

Wer die wirklich sehenswerte Netflix-Serie über Gates gesehen hat, beobachtet einen emsigen Philanthropen, der mit seinen Milliarden die prekären Lebensverhältnisse von Millionen von Menschen verbessern will. Obwohl ich kein Microsoft-Fan bin, kann ich beim besten Willen keinen Beweis finden, dass er willentlich das Leben von Menschen zerstört.

Die protestierende Lady in Stuttgart hat selbstverständlich ein Recht auf freie Meinungsäußerung, doch Verleumdung und Rufmord sind davon nicht eingeschlossen. Zudem glaube ich nicht, dass sie mit dieser Aktion dem Ansehen von Christen dient.

Wir brauchen den Geist der Unterscheidung

Bei meiner Recherche stoße ich auf die Webseite eines Theologen: Pastor Johannes Justus plädiert für den “Geist der Unterscheidung” der wie ein Frühwarnsysteme agiert, das wir aus dem Straßenverkehr oder aus der Meteorologie kennen.

“Das griechische Wort für „Unterscheidung“ lautet diakrisis (1. Korinther 12,10). Unterscheiden hat damit zu tun, etwas differenziert zu betrachten, zu prüfen und schließlich ein Urteil darüber zu fällen. Dies ist eine hohe Verantwortung” so Justus.

Damit bin beim Kern meines heutigen Artikels. Ich glaube, wir brauchen als Selbständige und Unternehmen diesen Geist der Unterscheidung, um nicht nur Fake-News, sondern bereits kleine Verdrehungen und Unwahrheiten zu enttarnen.

Gleichzeitig mache ich Ihnen Mut, bei jeder Nachricht, die Seriosität der Quelle zu prüfen. Das kann wie im Fall von Eva Herman auch ein genaueres Hinsehen bedeuten. Doch wer wie sie in den Videos selbst von “Spekulatius” spricht, sollte auch als Spekulantin wahrgenommen werden.

Mein Tipp: Lassen Sie alle dubiosen Quellen und Verschwörungstheorien bewusst links liegen. Ignorieren Sie obskure Videos, die mit reißerischen Überschriften vor einer neuen Weltordnung, geheimen Verschwörungen und anderen Theorien warnen. Lassen Sie sich nicht von Tausenden von Likes und Millionen von Klicks blenden. Das sind keine Zeichen von Seriosität und Kompetenz.

Verschwörungstheorien
Im Dialog mit Gundula Gause (ZDF) Foto: adeo Verlag

Welchen Quellen vertrauen Sie?

Vertrauen Sie Ihrer Intuition, wenn Ihr inneres Navi leise mahnt: “Das kann nicht sein, das kann ich nicht glauben!” Nutzen Sie mehrere seriöse Quellen, um den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Ich persönlich verfolge wöchentlich sechs Nachrichtenquellen unterschiedlicher Couleur, um mir eine Meinung über die aktuellen Entwicklungen zu bilden.

Dazu gehören die ARD Tagesschau und Tagesthemen, ZDF heute und heute journal. “Die Welt” und “Die Zeit”, “Der Spiegel” und die Regionalzeitung HNA. Im Vergleich dieser öffentlich-rechtlichen Sender und der wirtschaftlich aufgestellten Verlagshäuser prüfe ich die Meldungen und mein eigenes Weltbild.

Am Montag schreibt mir eine Führungskraft zu den Verschwörungstheorien: “Wie kannst du das erklären, Rainer, dass die Presse in dieser Krisenzeit so wenig Vielfalt zeigt? Ich spüre auf vielen Feldern eine Hidden Agenda.” Diese Frage kann ich sehr gut nachvollziehen. In den ersten vier Wochen des Shutdowns habe ich selbst eine gewissen Harmonie in der Berichterstattung beobachtet. Ein Großteil der genannten Medien hat sich auf die Fakten fokussiert und wenig Meinung gemacht.

Dabei erinnere ich mich an ein Gespräch mit Gundula Gause vom “heute journal” mit der ich vor Jahren gemeinsam ein Buch geschrieben haben. In der ZDF Kantine sprachen wir über ihren Alltag und die Sorgfalt, mit der sie den ganzen Tag über an jedem Satz ihrer Nachrichten feilt. Eine unbedachte Formulierung – so Gause – könne zugespitzt gesagt, einen Krieg auslösen.

Auf diesem Hintergrund schätze ich es sehr, dass die Medien zu Beginn der Corona-Krise bei den Fakten geblieben sind und auf eine Profilierung durch öffentliche Meinungsmache verzichtet haben. Das bestätigen auch die Experten, die ich für meinen heutigen Artikel kontaktiert habe. Zu ihnen zählen je ein Online- und Print-Journalist, ein Chefredakteur und ein Politikwissenschaftler.

Es gibt bei den Medien keine Hidden Agenda

Was jedoch weder die befragten Kolleginnen und Kollegen noch ich für möglich halte: Dass hinter der Berichterstattung eine “Hidden Agenda” steckt. Das ist leider auch eine Verschwörungstheorie. Unsere Medien sind weder “gleichgeschaltet” noch von einer versteckten Macht ferngesteuert. Im Gegenteil: Die öffentlich-rechtlichen Sender werden von Rundfunk-Räten kontrolliert, die großen Verlagshäuser stehen in starker Konkurrenz zueinander und müssen durch Auflage und Gewinn ihre Unternehmen sichern.

Paradox, aber leider wahr: Die Verschwörungstheoretiker der sozialen Medien, die mit Fake News handeln, haben selbst mitunter eine “Hidden Agenda”. Wie etliche Untersuchungen – auch auf Regierungsebene belegen – werden besonders im Wahlkampf zum Teil von extremistischen Parteien, aber auch von ausländischen Akteuren Falschmeldungen platziert.

Deshalb möchte ich Sie mit diesem Artikel ermutigen, keine Halbwahrheiten und Gerüchte zu teilen. Beteiligen Sie sich an einer sachlichen Debatte und machen Sie den Kunden und Mitarbeitern Mut, gesund und gestärkt durch die Krise zu kommen. Unser Land und Ihre Firma hat momentan sicherlich wichtigere Aufgaben als Verschwörungstheorien zu verbreiten.

Bewahren Sie auch in der Krise Ihren guten Ruf und schützen Sie Ihre Reputation, die Sie sich über Jahre aufgebaut haben. Wir brauchen Mutmacher, die ermutigende Nachrichten teilen und ehrlichen Statements abgeben, wie sie selbst oder gemeinsam mit anderen die Krise bewältigen. Und wir brauchen einen demokratischen Diskurs, der auf Fakten und nicht auf Halbwahrheiten und Gerüchten basiert.

Hier der Faktencheck zu den aktuellen Fake News

Hat das Bundeskabinett einen Impfzwang beschlossen?

Diese Falschmeldungen kursieren zum Impfstoff

Warum Bill Gates kein Corona-Verschwörer ist

Anja Reschke über Pressefreiheit

Mein Video der Woche

Kennen Sie auch das Gefühl: Es ist nie gut genug? In diesem Video gebe ich Ihnen drei konkrete Empfehlungen, um in der aktuellen Krise den übertriebenen Erwartungen von anderen und auch sich selbst zu begegnen.